Kapitel 2: Das Glücksgeschäft
Die Philosophen sind von jeher der Ansicht, daß Glück das oberste Ziel unseres Daseins sei. Aristoteles sprach vom summum bonum, dem höchsten Gut, insofern als wir andere »Güter«, also Geld oder Macht, in dem Glauben anstreben, daß sie uns glücklich machen, während wir uns »Glück« um seiner selbst willen wünschen. Aber trotz jahrhundertelanger Debatten ist die Frage nicht gelöst, was Glück denn nun eigentlich ist und ob es Glück tatsächlich gibt. Vielleicht ist es nur eben die Bezeichnung, die wir jenem unerreichbaren Zustand geben, in dem es nichts mehr zu wünschen gibt. Auch wenn ein Zustand vollkommenen Glücks eine Illusion sein dürfte, haben wir doch alle erfahren, daß es Zeiten gibt, in denen wir vergleichsweise zufriedener, froher und eher mit den Dingen einverstanden sind als sonst. Es ist die Suche nach solchen Augenblicken, die das summum bonum der individuellen Person ausmacht.
Möglicherweise widerspricht es aller Intuition zu behaupten, daß Glück und Geschäft irgend etwas miteinander zu tun haben, da Arbeit für die meisten Menschen bestenfalls ein notwendiges Übel und schlimmstenfalls eine Bürde ist. Und doch sind die beiden unauflöslich miteinander verbunden. In einem fundamentalen Sinn ist »Geschäft« dazu da, das Wohlergehen der Menschen zu fördern. Produktion und Austausch von Gütern sind überhaupt nur sinnvoll, wenn wir davon ausgehen, daß sie die Qualität unserer Daseinserfahrung verbessern werden. Das gilt, angefangen bei den Händlern der Frühzeit, die Bernstein vom Baltikum in den Mittelmeerraum, Salz über den halben afrikanischen Kontinent oder Gewürze von den Inseln des Fernen Osten in die übrige Welt transportierten, bis in die Gegenwart, in der jedes Jahr neue Automodelle auf den Markt kommen. Kunden zahlen bereitwillig für Produkte und Leistungen, von denen sie annehmen, sie würden sie glücklich machen. Dabei bleibt die Frage, was denn nun wirklich zum Glück führt. Die Philosophen erkannten schon vor langer Zeit, daß es den einen und einzigen Weg dahin nicht gibt: Was den einen Menschen entzückt, läßt den anderen möglicherweise unbeeindruckt.
Nachdem das Thema nahezu ein Jahrhundert lang vernachlässigt worden war, haben die Psychologen in den letzten Jahren endlich den Mut gefunden, dieses uralte und vertrackte Rätsel anzugehen. Dabei sind unerwartete Erkenntnisse aufgetaucht. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht scheinen Geld und materieller Besitz oberhalb einer Mindestschwelle das Glück eines Menschen nicht zu steigern. Mit anderen Worten, einen sehr armen Menschen macht der Besitz von mehr Geld glücklicher; dagegen scheint mehr Geld für einen Menschen, der finanziell schon einigermaßen gut dasteht, keine signifikante Wohltat zu bedeuten. Andere Studien kommen zu dem Ergebnis, daß Menschen, die ein wirkliches Unglück trifft - die beispielsweise blind werden oder auf Dauer gelähmt bleiben -, sich zwar einige Monate lang entsetzlich fühlen, dann aber rasch wieder ihren gewohnten Glückspegel erreichen. Das Gegenteil gilt für Menschen, denen ein unerwarteter Reichtum zufällt: Lotteriegewinner sind ein paar Monate lang glücklicher, anschließend fallen sie auf ihr früheres Glücksniveau oder sogar unter den vorherigen Stand zurück. Vertreter einer genetisch orientierten Psychologie erklären diese Forschungsergebnisse damit, daß wir alle einen ererbten »Sollwert« für Glück in uns tragen, der von äußeren Ereignissen mehr oder weniger unberührt bleibt.
Intensive Beziehungen - eine stabile Ehe, viele Freundschaften - korrelieren ebenso mit dem Glück des betreffenden Menschen wie seine Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft. Dem Glück förderlich sind ein extravertiertes und optimistisches Naturell sowie die Tatsache, einen Job zu haben - vorzugsweise eine Arbeit, die einem gefällt. In Ländern mit einer stabilen demokratischen Regierung - so in den Niederlanden, in der Schweiz, in Neuseeland - sind die Bewohner im allgemeinen am glücklichsten. Als im Ja
Kapitel 2: Das Glücksgeschäft
Die Philosophen sind von jeher der Ansicht, daß Glück das oberste Ziel unseres Daseins sei. Aristoteles sprach vom summum bonum, dem höchsten Gut, insofern als wir andere »Güter«, also Geld oder Macht, in dem Glauben anstreben, daß sie uns glücklich machen, während wir uns »Glück« um seiner selbst willen wünschen. Aber trotz jahrhundertelanger Debatten ist die Frage nicht gelöst, was Glück denn nun eigentlich ist und ob es Glück tatsächlich gibt. Vielleicht ist es nur eben die Bezeichnung, die wir jenem unerreichbaren Zustand geben, in dem es nichts mehr zu wünschen gibt. Auch wenn ein Zustand vollkommenen Glücks eine Illusion sein dürfte, haben wir doch alle erfahren, daß es Zeiten gibt, in denen wir vergleichsweise zufriedener, froher und eher mit den Dingen einverstanden sind als sonst. Es ist die Suche nach solchen Augenblicken, die das summum bonum der individuellen Person ausmacht.
Möglicherweise widerspricht es aller Intuition zu behaupten, daß Glück und Geschäft irgend etwas miteinander zu tun haben, da Arbeit für die meisten Menschen bestenfalls ein notwendiges Übel und schlimmstenfalls eine Bürde ist. Und doch sind die beiden unauflöslich miteinander verbunden. In einem fundamentalen Sinn ist »Geschäft« dazu da, das Wohlergehen der Menschen zu fördern. Produktion und Austausch von Gütern sind überhaupt nur sinnvoll, wenn wir davon ausgehen, daß sie die Qualität unserer Daseinserfahrung verbessern werden. Das gilt, angefangen bei den Händlern der Frühzeit, die Bernstein vom Baltikum in den Mittelmeerraum, Salz über den halben afrikanischen Kontinent oder Gewürze von den Inseln des Fernen Osten in die übrige Welt transportierten, bis in die Gegenwart, in der jedes Jahr neue Automodelle auf den Markt kommen. Kunden zahlen bereitwillig für Produkte und Leistungen, von denen sie annehmen, sie würden sie glücklich machen. Dabei bleibt die Frage, was denn nun wirklich zum Glück führt. Die Philosophen erkannten schon vor langer Zeit, daß es den einen und einzigen Weg dahin nicht gibt: Was den einen Menschen entzückt, läßt den anderen möglicherweise unbeeindruckt.
Nachdem das Thema nahezu ein Jahrhundert lang vernachlässigt worden war, haben die Psychologen in den letzten Jahren endlich den Mut gefunden, dieses uralte und vertrackte Rätsel anzugehen. Dabei sind unerwartete Erkenntnisse aufgetaucht. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht scheinen Geld und materieller Besitz oberhalb einer Mindestschwelle das Glück eines Menschen nicht zu steigern. Mit anderen Worten, einen sehr armen Menschen macht der Besitz von mehr Geld glücklicher; dagegen scheint mehr Geld für einen Menschen, der finanziell schon einigermaßen gut dasteht, keine signifikante Wohltat zu bedeuten. Andere Studien kommen zu dem Ergebnis, daß Menschen, die ein wirkliches Unglück trifft - die beispielsweise blind werden oder auf Dauer gelähmt bleiben -, sich zwar einige Monate lang entsetzlich fühlen, dann aber rasch wieder ihren gewohnten Glückspegel erreichen. Das Gegenteil gilt für Menschen, denen ein unerwarteter Reichtum zufällt: Lotteriegewinner sind ein paar Monate lang glücklicher, anschließend fallen sie auf ihr früheres Glücksniveau oder sogar unter den vorherigen Stand zurück. Vertreter einer genetisch orientierten Psychologie erklären diese Forschungsergebnisse damit, daß wir alle einen ererbten »Sollwert« für Glück in uns tragen, der von äußeren Ereignissen mehr oder weniger unberührt bleibt.
Intensive Beziehungen - eine stabile Ehe, viele Freundschaften - korrelieren ebenso mit dem Glück des betreffenden Menschen wie seine Zugehörigkeit zu einer religiösen Gemeinschaft. Dem Glück förderlich sind ein extravertiertes und optimistisches Naturell sowie die Tatsache, einen Job zu haben - vorzugsweise eine Arbeit, die einem gefällt. In Ländern mit einer stabilen demokratischen Regierung - so in den Niederlanden, in der Schweiz, in Neuseeland - sind die Bewohner im allgemeinen am glücklichsten. Als im Jahre 1994 die ersten freien Wahlen in Südafrika stattfanden, nahm das Glücksgefühl der Bevölkerung - und speziell das der Farbigen - spürbar zu; inzwischen ist es nahezu auf den vorherigen Stand zurückgefallen.
Was haben diese Erkenntnisse mit der Welt der Geschäfte zu tun? Die Antwort ist einfach: Wertvoll sind solche Produkte oder Dienstleistungen, die der Kunde - zu Recht oder zu Unrecht - als etwas wahrnimmt, das ihn glücklicher macht. Die Chancen des Unternehmers liegen darin, neue Wege zu entdecken, auf denen er eben diese Glückssehnsucht ansprechen kann.